Schuke-Orgel in der Universitätskirche

Die restaurierte und neuintonierte Schuke-Orgel von 1964

Thomas Koenig (Aus dem Programmheft des 1. Konzertes am 31.10.2006)

Wenn wir die Orgel der Universitätskirche am Reformationsfest erstmalig wieder erklingen lassen, so hat das durchaus einen programmatischen Hintergrund. Denn die Orgel ist in einer mehrmonatigen Reinigungsaktion durch Mitarbeiter der Firma Schuke tatsächlich wieder in "Form" gebracht worden, d. h. in einen Funktionszustand, der dem ursprünglichen sehr nahe kommt.

Aber das Instrument ist nicht nur restauriert, es ist klanglich auch ein wenig aktualisiert worden. Damit ist folgendes gemeint: Der Erbauer der Orgel, Alexander Schuke, ließ sich bei der Registerwahl von einem Klangideal leiten, das sich seit den 30er Jahren im Kontext einer sich formierenden Orgelbewegung ausgebildet hatte, und als "eigentliches" dem romantischen Orgelklang entgegengesetzt wurde. Das Instrument in der Rostocker Universitätskirche verkörpert solche Prinzipien, welche aus barocken Orgelwerken des späten 17. Jahrh. abgeleitet wurden, auf geradezu puristische Weise. So läßt sich die Werkstruktur - also die Zusammensetzung des Instruments aus Haupt-, Ober-, Brust- und Pedalwerk - schon auf den ersten Blick am dekorationslosen Gehäuse ablesen. Hier wird Struktur unmittelbar zu Form. Weiterhin zeigt der Prospekt das klangliche Rückgrad des Instruments: die Prinzipalregister. Ihre Verteilung auf die vier Werke der Orgel erfolgt aufgrund einer klaren Systematik: Das Pedal ruht auf dem 16', das Hauptwerk auf dem 8', das Oberwerk auf dem 4' und das (kleinste) Brustwerk auf dem 2'-Prinzipal. In allen Werken schließen sich jeweils höhere Prinzipalchöre (Oktave oder Mixtur/Scharff/Cymbel genannt) an - bis zur Hörgrenze. Als Referenz an die Renaissance, als das Instrument Orgel seine erste große Blüte erlebte, erhält jedes Werk noch eine 8-füßige Zungenstimme (Trompete, Krummhorn, Schalmei). Wenige Flöten- und einige Obertonregister (meist Quinten) vervollständigen diesen Grundklang, der etwas ungeheuer Klares, fast Archaisches aber eben auch (gewollt) Steifes atmet. Der Erbauer hätte ihn wohl als unbeugsam, vital, authentisch gekennzeichnet. Es war geradezu die Absicht, Musik des 19. Jahrhunderts, resp. solche des 20. Jahrhunderts, welche eine ähnliche klangliche Differenzierung aufweist - also die reiche französische Tradition - aus dem Kirchraum zu verbannen.

In den vergangenen 25 Jahren hat nun in der Kirchenmusik insgesamt, in der Orgelwelt im Besonderen, ein Umdenken stattgefunden hinsichtlich der Bewertung des romantischen Klangindeals und der Werke, die auf seiner Grundlage entstanden sind. Zunehmend werden noch erhaltene Instrumente aus dem 19. Jh. nicht abgerissen, sondern erhalten, werden neue Orgeln so konzipiert, dass sie die vielfältigen klanglichen und dynamischen Schattierungen der Musik aus den Jahren 1840 bis 1920 darzustellen vermögen.

Aktualisierung des Klanges bedeutet nun, daß das Brustwerk, welches zuvor mit Türen entweder offen oder geschlossen bespielt werden konnte, nun bewegliche Lamellentüren erhalten hat, die beim Spielen mit dem Fuß stufenlos verstellt werden können. Es bedeutet, daß das Hauptwerk anstelle einer zweiten Mixtur ein neues, in der Romantik besonders geschätztes Register - eine Gambe - hinzugewonnen hat. Durch dieses grundtönige, verschmelzungsfähige Register und die klangliche Umintonierung anderer Register wird der ursprünglich betont helle, obertonlastige Klang dunkler - aber auch wärmer und dichter.

Während also das strukturelle Konzept des Instruments nicht angetastet wurde, wurde die klangliche Ausgestaltung modifiziert in Hinblick auf eine größere Flexibilität.

Als neu wahrgenommen werden die unübersehbaren silberglänzenden Prospektpfeifen. Die komplette Erneuerung dieser wohl teuersten Pfeifen war notwendig geworden, weil eine ungünstige Legierung der ursprünglichen Pfeifen diese mit der Zeit weich werden ließen und sie abzuknicken drohten.

Der Respekt vor dem strukturbetonten Orgelwerk kommt auch durch die neue farbliche Fassung des Gehäuses zum Ausdruck, welche der Restaurator Georg von Knorre vorgenommen hat: Während früher ein grau-grüner Anstrich den Eindruck vermittelte, das Instrument wolle im altehrwürdigen Gemäuer (auf geradezu verschämte Weise) unbemerkt bleiben, signalisiert die neue ocker-rote Bemalung ein klares Bekenntnis zur Orgel. Indem sie die dominierenden Farbtöne (gold und rot) der Altäre aufnimmt, setzt sie sich vom Grau des Fußbodens ab und erhält nunmehr einen würdigen Platz im Reigen der übrigen Kunstgegenstände im Raum.

Disposition der Schuke-Orgel in der Universitätskirche

Hauptwerk:
Quintadena 16', Prinzipal 8', Gambe 8', Rohrflöte 8', Oktave 4', Spitzflöte 4', Nasard 2 2/3, Oktave 2', Mixtur 5-6fach, Trompete 8'

Oberwerk:
Gedakt 8', Prinzipal 4', Blockflöte 4', Waldflöte 2', Sesquialtera 2 2/3, Quinte 1 1/3, Scharff 5fach, Schalmei 8', - Tremulant -

Brustwerk (mit Schwelltüren):
Holzgedakt 8', Spillpfeife 4', Prinzipal 2', Sifflöte 1', Cymbel 3fach, Krummhorn 8', - Tremulant -

Pedal:
Prinzipal 16', Subbaß 16', Oktave 8', Baßflöte 8', Pommer 4', Mixtur 5fach, Posaune 16', Trompete 8', Feldtrompete 4'

Koppeln:
HW/P, OW/P, BW/HW, OW/HW